Last Exit Kontaktanzeige

Janes einziges Problem ist: wo kriegen wir DSL her. Ich merke, wie sie abends unruhig wird, wenn ich noch die Küche aufräume. Wenn sie über ISDN surft, sieht sie ständig auf die Uhr. Dabei ist unsere Internet-Rechnung bei weitem unter dem, was wir früher für die flat gezahlt haben. Ganz zu schweigen von den Monaten im Sommer, wo kaum einer den Laptop anwirft, wo keine Radio-Sketche gesaugt werden, weil das Kind nicht da ist.
Ich habe mir seit langem mal wieder den TIP gekauft. Ist schon komisch, wie sich die Zeitung in den letzten 10 Jahren verändert hat. Oder Berlin hat sich verändert. Es weht so eine Düsseldorfatmosphäre durch die Stadt. Die Artikel sind ganz ok., gutes linkes regionales Feuilleton eben.
Die Kleinanzeigen demonstrieren die Veränderungen am radikalsten:
Keine selbstgedrechselten Alternativjobs mehr, sehr ausgedünnte Eso-Strecke. Dafür jede Menge Klinkenputzer-Jobs und Weiterbildungsangebote. Ist Berlin in der Realität angekommen?
Oder die Kontaktanzeigen. Lesben und Schwule mit ernsthaften Absichten haben sich verabschiedet. Dafür jede Menge Perverse, hab sogar ein paar Mal das F-Wort gelesen.
Und das war der Hammer:
Kulturfreundin/Luder in Personalunion? Mein Programmangebot: 1. Meet’n’lecker Eat, schickes Lokal,2. Oper, beste Plätze,3. Cocktailschlürfen, schummrige Bar,4. (nur beim Auftreten starker Trieb-Kräfte) safer Vögeln, Vielsternehotel. Anfang-40er, Gelegenheitseskapist, Triple-G (gebildet, gutaussehend, gebunden) lädt ein. BmB. *E-Mail:***********

Ich weiß nicht, bei so viel Versprechungen muß doch irgendwo ein Haken sein??!! Kommt nachts um 12 die Ehefrau und packt das Nudelholz aus, um ein bißchen mitzumischen? Ist sein Triple-G dann doch nur in seinem eigenen Koordinatensystem positiv zu bewertet und es kommt einem der übliche Bäuchlein-beginnende Glatze-Focus-Leser entgegengestolpert, der sich zudem 10 Jahre jünger gemacht hat?

Und dann die Profis. Früher gab es:
Kim, Berlinerin. Liebe und Revolte für Sie und ihn.
Das fand ich so scharf, die Frau war weit über 50 und jedes Jahr ging ihr Alter ganz ehrlich ein Jahr hoch. Jetzt sitzt sie wahrscheinlich in einem Bauernhof im Odenwald und genießt ihren Ruhestand. Jetzt haben die Anzeigen fast BZ-Niveau. Bis auf den Umstand, daß es in selbiger Zeitung keinen Markt für Frauen gibt, die für Männer bezahlen.
Wenn ich das so lese, möchte ich doch wieder auf den Zufall vertrauen.

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