Computerliebe

Der Spiegel sucht anläßlich des 25. Geburtstages des IBM-PC Computergeschichten der Leser.
Meine gibt es hier.
Der erste Computer blieb ein Fragment. Er war so was ähnliches wie ein Commodore und sollte aus einer Robotron-Schreibmaschine, meinem Kassettenrecorder, dem Familien-Fernseher und einer von meinem Vater geätzten und gelöteten Platine bestehen. Fertig geworden ist einzig die Platine, weil es mein Vater mit dem Gehäusebauen nicht so hatte. Sie stapelte sich im Keller mit anderen Fragmenten. Einer Stereoanlage und einer Funkfernbedienung für ein Flugzeug. Ich war nun auch nicht so eine Enthusiastin, als das ich begonnen hätte, eine Holzkiste für das gute Teil zu bauen. (Schon weil Papa mit der Mikrometerschraube daneben gessessen hätte, um zu schauen, ob das was wird, was ich da anfange.*)
Aber mich haben diese Apparate fasziniert. HAL aus 2001, dieser sprechende Computer Napoleon aus den Sci-Fi-Kriminalgeschichten von Gert Prokop. Und War Games, beeindruckend, was man über das Netz mit einem Computer anfangen konnte.
Weil Papa eh nicht fertig wurde, bevölkerten Computer meine wuchernde Phantasie. Zum Beispiel in einer Science-Fiction-Liebesgeschichte, in der sich eine Raumschiffärztin per Funkkontakt in einen Typen verliebt und sie weiß nicht, ob es jemand von einem gegnerischen Raumschiff sein könnte. Dabei ist es ein auf einem Asteroiden in einem großen Rechner ausgesetztes Hirn eines längst toten Wissenschaftlers. Oder diese krude Fluchtgeschichte im Stil von „Die drei Tage des Condor“, wo die zwei Leute, die sich (schwer blessiert, aber natürlich ineinander verliebt) in Südamerika in den Bergen verkrochen haben, einen Polizeicomputer hacken und sich selbst auf einer Todesliste finden.

Der Zweite war schon ein zivilisiertes Teil. Das war Anfang der 90er, ein Highscreen von Vobis mit Hercules-Grafik, 64 kb Arbeitsspeicher und weniger als 1 MB Festplatte.
Nicht meiner. Ich lebte damals mit einem habilitierten Mathematiker in einer WG. Naja, er war doppelt so alt wie ich und frisch geschieden, ich lebte gerade in Trennung, deshalb kamen wir auf die Idee, die Geschichte zwischen uns beiden WG zu nennen.
Aber: Freier Zutritt zu seinem Arbeitszimmer. Und da er damals gerade auf Jobsuche war und keine Lust hatte, ständig an seinen neuronalen Netzen rumzuprogrammieren, hat er seinen pädagogischen Eros an mir ausgelebt. Dafür bin ich ihm noch heute dankbar. Immerhin konnte ich hinterher mit dem Betriebssystem umgehen (gab ja noch kein WYSIWYG), ein bißchen C+ und Pascal schreiben, Editoren bedienen und bekam keine Panikanfälle, wenn es hieß: Schwerer Systemfehler.
Ein halbes Jahr später dann gab es in meiner Uni einen PC-Saal. Dieser Umstand war kaum jemandem bekannt, geschweige denn, konnte irgendein Ostberliner Studi mit diesen Dingern umgehen. Die betreuenden Informatikstudenten waren scheiße arrogant, aber mich schreckte das ja nicht. Angst vor Technik hatte ich nie und Dr. Dr.  Josef hatte mir erklärt, wie die Kiste lief. Ich verstand die Fachsprache von den pickligen Jungs in den karierten Hemden und damit habe ich mir Respekt verschafft. Wenn ich etwas ich nicht allein konnte, haben sie mir klaglos geholfen. Meine beste Semesterarbeit in Filmgeschichte habe ich in Times New Roman auf dem Laserdrucker auswerfen lassen, was meinen Dozenten damals tief beeindruckte. Er hatte so was schlichtweg noch nicht gesehen und wollte alles ganz genau erklärt haben.
Alles, was danach kam, war nur noch halb so spannend. Der erste eigene PC hatte 20 MB Festplatte und einen Arbeitsspeicher von 128 kB, leider weiß ich keine Taktfrequenzen mehr. Wenn ich keinen Bock hatte, an meiner Diplomarbeit zu schreiben, habe ich mit kleinen Animationsfilmen, die ich mit CorelMove gemacht habe, die Kiste zum Absturz gebracht.
Aus der Zeit stammt der halbfertige Krimi „Nachts sind alle Glatzen grau“, in dem es um einen alten Offizier, jetzt Wachmann, einen jungen Hacker und jede Menge Altkader und deren Neonazisöhne ging. Natürlich gab es auch eine schöne Frau mit einem Geheimnis. Und Computer. Alte Robotron-Rechner mit Lochbändern, deren verschlüsselte Daten so eine Art Rosenholz-Kartei ergeben haben. Und am Schluß ist der Hacker tot, der alte Mann kriegt die Frau mit dem Geheimnis natürlich nicht, sondern wirft die Daten in die Spree, statt sie zu verkaufen.

Eine sehr schöne Erinnerung war die wunderbar schlichte dunkelblaue Oberfläche von Wordperfect. Nichts, was zum Spielen verleitet, die Formatierungen waren nur farbig hinterlegt, eine einzige technisch aussehende Standardschrift. Konzentration pur. Ich habe noch lange Jahre Drehbuchszenen und Prosatexte damit geschrieben. Die nun leider verloren, weil nicht mehr zu öffnen sind.
Schade eigentlich. Im nichtvirtuellen Leben gibt es wenigstens die Chance, eine alte Kladde zu finden, sich darin festzulesen und zu sagen: He, so gruselig war das doch garnicht, was du da geschrieben hast.

*Dafür habe ich 25 Jahre später für mich den Beweis führen müssen, daß ich handwerklich begabt bin. Ich habe im Bad die Wasserrohre verkleidet und es neu gefliest. Leider bin ich ein knappes Jahr später dort wieder ausgezogen. Aber ich habe es geschafft! Und mein Vater hat in seinem Leben kein Regal zusammenbauen können. Kernphysiker halt. Die können andere Sachen. S.o.

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