Er sollte tot

Eine tiefe Verneigung vor Dominik Graf. Der bayerische Polizeiruf gestern war selten gut.
Michaela May hatte wenig Freiheit und war endlich mal nicht trutschig, sondern cool, reduziert und sogar humorvoll.
Und Edgar Selge … es gibt wenige Schauspieler, die so wenig Egoaufmontage nötig haben. Oder anders formuliert: die ihr Ego so in den Dienst einer Rolle stellen. Was im Film an Ermittlung passiert, passiert über sein Gesicht, das von der Kamera fast beiläufig aufgenommen wird, lange Texte, Fragen, Fragen, Fragen. Aber nicht der Ermittlerbulle spricht da, sondern ein verstörter, entsetzter Mann, der die Wahrheit wissen will und doch wieder auch nicht, weil sie zu grausam ist. Der hilflos vor dieser 19jährigen sitzt, die nach und nach alle ihre Lebensrollen schildert: Hure, Lesbe, Heimkind, Mörderin, Heiratsschwindlerin, Hörige und am Schluß bleibt ein kleines Mädchen. Der behauptet, junge Mädchen würden ihn nicht interessieren und beim Aussprechen dieses Satzes stolpert und stürzt.
Rosalie Thomass als das süße Mädel (im Horvathschen Sinne) ist von der Kritik viel gelobt worden. Es ist mutig, sich so zu öffnen, bis nur noch eine Projektionsfläche bleibt und doch nie exhibitionistisch zu wirken. Nie ist diese Figur der Sensationslsut preisgegeben, immer ist sie im Moment. Ganz pragmatisch, naiv, bodenständig, offen und damit prädestiniert, zum Opfer zu werden. Und gleichzeitig nicht schwach und mitleiderregend.
Die beste Kameraeinstellung? Maria wird auf dem Hof des Bordells von ihrem Zuhälter zusammengeschlagen, sie stürzt zu Boden. Die Kamera setzt sich in Bewegung, eine präzise Schienenfahrt aus dem Hof hinaus, eine Straßenperspektive öffnet sich jenseits der Mauer. Die Kamera hält. Am Ende der Straße fährt ein blauer LKW vorbei, als würde Marias Seele abtransportiert werden. Sie ist nun bereit zum Mord.

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