Revolutionsmuseum

40 Jahre dffb. Und die Legendenbildung geht weiter. RAF-Aspiraten versus Kuchenfilmer, eine ganze Seite im Tagesspiegel erzählt diese Geschichte.
Am Abend laufen im Arsenal Filme von 66-69. Ein paar überlebende Kämpen sind anwesend, viele aus der mittleren Generation, die noch im Berufleben stehen, auch ein paar Studenten haben sich eingefunden.
Die Stimmung ist nach ein paar Sekunden einschläfernd und hypnotisch. Endlose Einstellungen, wenige Schnitte. Im Grunde passiert so gut wie nichts. Die ersten im Publikum schlafen ein.
Aber da die Filme nur noch selten zu sehen sind, muß ich konkreter werden.
Cultural Nationalism von Skip Norman. Ein endloser Monolog, die Kamera hält auf ein verschneites Feld. Ganz zuletzt läuft ein schwarzes Kind ins Bild. Ja. Naja. Dekonstruktion mit ideologischer Glasur eben. Und ein bißchen faul dazu. Mit Film hat das wenig zu tun.
Vor Die Worte des Vorsitzenden von Harun Farocki habe ich mich etwas gefürchtet. Farocki mag ich sehr. Ich wollte mir das nicht durch eine maoistische Jugendsünde kaputtmachen lassen. Und dann sah ich einen Zweiminutenfilm, der zwischen russischer konstruktivistischer Moderne, Pop Art in schwarz-weiß und Sybmolismus angesiedelt war. Voller Tempo, Ironie und Humor, unabsichtlich?, Humor ist dieser Zeit ja eher abgegangen.
21.10.68 ca. 15 Uhr die Auswahl dieser Plansequenz (schönes Wort!) hat die Anwesenden eher befremdet. Ein schönes Model läuft durch Westend. Die Irritation, die ungeplant passiert, sind zwei Kinder mit einem sterbenden Vogel am Wegrand. Plötzlich stehen Regisseur und Kameramann mitten im Geschehen. Nur, das hat mit Film nichts zu tun. Das ist das Leben. Erstaunlich, daß sich die Diskussion hinterher genau da festsetzt. Wie schön! und dieser Charme! und daß die Situation aufgebrochen wird!…
Brecht die Macht der Manipulateure von Helke Sander ist harter Stoff. Ich hatte ganz verbotene Gedanken. Daß so ein Propagandafilm mit Sicherheit vom Osten bezahlt war. So was konnte doch niemand freiwillig machen! Das sah ja aus wie der Agitationsschrott, mit dem ich in der DDR aufgewachsen bin. Mit einem Unterschied: In Helke Sanders Film ist der Arbeiter ein dummer, unwissender Spießer. Für den erst das Fressen und dann die Moral kommt. Das hätte es in der DDR nicht gegeben. Der SDS hat das ähnlich gesehen, laut Helke Sander. Der Film war den Jungs zu wenig heldenhaft.
Die einzige Passage, die für mich etwas mit Kino zu tun hatte, war die talkshowhafte Aufnahme der Filmemacher Sander, Schmid, Farocki und Norman, in der sie ihre politische Position erläutern. Die Szene ist überbelichtet, starr und die drei im Bild befindlichen tragen Sonnenbrillen. Die Blues Brothers lassen grüßen. Das war für mich der Moment, in dem ich nur noch albern kichern konnte (um mich herum schliefen sie schon). Weil die drei genau den Bierernst und die ungewollte Komik von Jake und Elwood haben, die sich von nichts aufhalten lassen, um zu ihrem Konzert zu kommen und dabei halb Chicago zerlegen.
Die Diskussion danach war altersmilde. Sind die Macher doch mittlerweile zwischen 60 und 70 und haben selbst einige Distanz zu ihren utopischen Rundumschlägen.
Ästhetisch mag an diese Filme grausam finden. Als Zeitdokument sind sie interessant. Man hört, wie es knirscht im Gebälk der erstarrten Bundesrepublik. Veränderung durfte nicht zugelassen werden, die gedeckelte Nazizeit hätte den politischen Akteuren ins Gesicht fliegen können. Und dann kommen diese Kinder und stören. Sorglos, weil sie sollen es ja mal besser haben als die Eltern. Furor statt Gemessenheit, Haltlosigkeit statt Enge. Biografisches Chaos statt klassischem German Way of Life.
Das ist schon spannend. Die Überlebenden haben längst ihr Plätzchen in der Gesellschaft gefunden. Nachdem die Väter verjagt waren, haben sie es sich selbst dicht am Feuer gemütlich gemacht.

Und sonst? Das Sony-Gebäude ist schön im Spätsommerlicht. Und ich könnte kotzen, wenn mich diese Westladys herablassend behandeln. Wir haben 2006, nicht 1991. Wenn sie mir erklären, dass die Köpenicker Straße im Westen liegt, obwohl ich erzählt habe, dass ich in Kreuzberg lebe. Mir unterstellen, dass ich Cultural Nationalism nicht richtig kapieren konnte, weil ich ja aus dem Osten bin und kein Englisch kann. Danke. So viel Englisch kann ich, um Black Panther-Propaganda zu verstehen.
Wo leben die denn? Wahrscheinlich mental immer noch auf ihrer Insel der Seligen.

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