Vollmond

Viel zu lange gearbeitet, bis zehn. Und doch noch Unternehmungslust. Das kann nicht alles gewesen sein heute.
Es gibt einen Gästelistenplatz auf einer IFA-Schlußparty. Also noch mal gepudert, die rosaseidenen Turnschuhe angezogen und los.
Der Einlaß war gähnend leer, der Club mäßig gefüllt. Der Drink war gut, irgendwas mit Ingwer und Wodka, sehr gesund also.
Die typische Felix-Mischung herrschte vor. A.S. & U.M. – alte Säcke und unbedarfte Mädchen. Irgendwie hat sich diese Konstellation jetzt im Laufe der Jahre eingespielt. Keine Ahnung, was diese jungen Ladies suchen, sie wissen es selbst sicher nicht. Wahrscheinlich nur eines: Nicht das, womit sie aufgewachsen sind. Sie sind ungeschickt schick angezogen, entweder zu dick oder zu dünn, bleich, rauchen zu viel und klammern sich an der Freundin fest. Die Herren, die sie abschleppen wollen, sehen ebenso ungesund aus. Weit übers Haltbarkeitsdatum, aus dem Leim gegangen, mit Sicherheit Haare auf dem Rücken (brrr!), träge und zynisch.
Mit meinem Drink in der Hand stelle ich mir vor, wie sie zwischen den teigigen Schenkeln dieser Mädchen sterben. Und wer, verdammt noch mal, soll das dann den Ehefrauen erklären?
Die Tanzfläche ist leer. Schade eigentlich. Die Musik ist gut. Dazu improvisiert ein Saxophonist, der vom Jazzabend vorher übrig geblieben ist. Ich habe keine Lust, den Laden anzutanzen. Dazu bin ich heute zu schüchtern. Mir etwas Mut anzutrinken geht nicht, morgen ist ein harter Tag und das Auto steht vor der Tür.
Ich kann es nur bedauern, ich hätte mich so gern in Schweiß getanzt, um dann ins Bett zu fallen.
Nichts wie weg, hinaus in die Nacht. Der Mond steht grell über Berlin. Der Liebste schläft bestimmt schon dort westwärts, unter seinem Dach. Tief, still, mit heißer Haut, ohne Decke. Ich gehe über die Straße zum Mahnmal und springe von Stele zu Stele. Die Nacht ist warm und doch hat sie nicht mehr diese Power wie im Hochsommer. Die Steine strahlen keine Wärme mehr ab. Und die nächtlichen Touristen fehlen.
Ich probiere ein paar Töne o fortuna/velut luna/statu variabilis…. Es geht schon wieder einigermaßen, am Wochenende war ich vollkommen stimmlos.
Dann fahre ich mit meinem roten Baby zurück. Nehme auch zurück den Weg durch die Straße, in der mein treuester Leser wohnt. Nun ist das Licht aus. Du schwächelst doch nicht etwa, Old Boy? Es ist noch nicht einmal 12!

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