Du bekommst, was du bestellst, Kleine

So langsam bin ich die Klagen von Elvira leid. Sie sind seit Jahren der Soundtrack unseres Lebens. Das eine Thema mit Variationen. Es gibt verschiedene Bezeichnungen dafür. Nähe, Aufmerksamkeit, Kontakt. Die Melodie der letzten Jahre war: zu viel, zu eng, ich will raus. Jetzt klingt es anders: zu wenig, zu locker, zu einseitig.
Ich höre noch, wie sie mir im Frühjahr ihr Ideal erläutert hat: Eigentlich brauche ich niemanden. Vielleicht fürs Bett. Oder mal für einen netten Abend. Aber niemanden, der ständig bei mir sein will und sich in mein Leben einmischt. Eine kluge, leicht unterkühlte, sehr rationale, gut organisierte Beziehung, nein eher Affäre, sollte es werden.
Die hat sie jetzt. Ich mag den MANN. Endlich ist sie weg von ihren soften Jungs, die ihr mit ihrem Anlehnungsbedürfnis die Zeit gestohlen haben.
Abendelang schimpft sie leise vor sich hin. Malt sich Trennungsszenarien aus, schreibt Abschiedsbriefe, die sie nicht abschickt. Wie eine Selbstmörderin, die auf der Dachkante balanciert und das „ich könnte, wenn ich wollte“ vor Polizei, Feuerwehr und Schaulustigen auskostet.
Nein, so ganz stimmt das Bild nicht. Elvira hat kein Publikum. Selbst vor mir versucht sie zu verbergen, wie enttäuscht sie darüber ist, daß sie zum ersten Mal im Leben sehr viel mehr investiert als sie zurückbekommt. Sie war nie oder nur kurzzeitig emotional in den roten Zahlen. Jetzt ist es ein Dauerzustand. Ich kann ihr nicht helfen. Ich weiß selbst nicht, ob sie seit Monaten ihre Zeit vertut oder etwas völlig Neues erlebt.
Lauwarme Alteleuteaffäre nennt sie es. Ein hartes Wort. Und sie muß sich von mir fragen lassen, warum sie denn immer noch dabei ist. Doch ich kenne Elviras sonderbares Timing. Ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt hat sie noch nie gehabt. Ob sie nun aufspringt oder absteigt.
Die bequeme Lösung: jemand anders kommt und interessiert sie mehr – das eigentlich männertypische Modell Fliegender Wechsel – ist derzeit nicht in Sicht. Also wird Elvira weiter als fleißiges Lieschen die Kränkungen ihres (sehr großzügig dimensionierten) Ego sammeln, bis ihr Körbchen voll ist. Und sich dann vom Acker machen, ohne Vorankündigung. Wie sie es nicht nur einmal getan hat. Wird einen MANN hinterlassen, der sich verwundert-verwundet die Augen reibt und stammelt: Ja, aber… Es war doch alles in Ordnung! Es war doch so entspannt und vertraut! Was sie ihm in ihrer Scheinheiligkeit auch über lange Zeit suggeriert hat. Wünsche zu äußern, das ist nicht gerade ihre Stärke.
Aber vielleicht unterschätze ich den MANN auch. Er hat ein gutes Gespür. Vielleicht sieht er das Verfallsdatum schon längst. Dann hätten sich beide beim Gang zu neuen Ufern Gesellschaft geleistet. Was auch nicht schlecht ist.
Zwischenzeitlich höre ich mir eine neue Strophe ihres Klagegesangs an.

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