Norway.Today

Es ist seit langem das erste Mal. Jahre war ich Weihnachten auf der Flucht. Und jetzt? Im Fernsehen singt ein Knabenchor in Matrosenanzügen „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ und ich singe mit. Hab schließlich zwei Gesangsstunden daran geübt. Zugegeben, ein bißchen habe ich geschluckt. Verdammte Gefühle.
Wir sind mit einer Stunde Verspätung in Olso angekommen. Alles ist hier ein bißchen ruhiger, einfacher und entspannter wie es scheint. Glatteis? Kein Problem, dann laufen wir eben etwas vorsichtiger. Keiner fängt hier zwanghaft an, die Gehwege freizukratzen. Am Tag ist es am Fjord feucht und sobald die Sonne untergeht, wird es sehr kalt. In Deutschland würden Heerscharen von Menschen nach draußen rennen und mit Salz um sich werfen bzw. fluchen, daß der Winterdienst nicht kommt. Eis gehört hier einfach zum Leben dazu. Nur die Wege um das Schloß sind gestreut.
Überhaupt das Schloß.
oschloss
Eine freistehende überdimensionale Villa auf einem Hügel mitten in der Stadt. Herrschaftsarchitektur? Vielleicht. Alle anderen Insignien der Macht fehlen. Zäune, Absperrungen, Hecken, Mauern. Es gibt zwei Soldaten, die Wache halten. Und jeder, der will, kann herangehen. Vor uns lief eilig eine Dame durch den Schloßpark. Elegant, große Coiffure, Nerzjacke, viel Schmuck, praktische Stiefeletten. Die Pumps hatte sie scheinbar in ihrem Leinenbeutel. Sie ging ins Schloß. Eine Angestellte? Besuch zum Weihnachtsessen?
Ich konnte Elvira gerade noch so zurückhalten, hinterherzulaufen. Zu Elvira nur so viel: Sie ist sehr glücklich und ich gönne es ihr.
Unser Hotel liegt gleich neben dem Schloß. Eigentlich sollte es ja eine Unterkunft auf dem Holmenkollen sein, mit Blick auf den Fjord. Aber dort ist alles zu. Überhaupt heißt das Zauberwort: Julferies. Pünktlich zu unserer Ankunft schlossen alle Geschäfte. Heute Nachmittag gab es drei offene Kiosks/e (was bitte ist der Plural?) mit Hot Dogs, Chips und Äpfeln. Das einzige offene Restaurant war das Hard Rock Café. Die Rettung ist ein Feinkostladen, der 24 Stunden offen hat. Hier haben wir unser Weihnachtsmenü geholt. Sonst hätten wir von Reiswaffeln, Schokolade und kandiertem Ingwer leben müssen.
Also das Hotel. Im Internet wirkte es auf den ersten Blick wie viele Gebäude in Oslo: 70er Jahre, Beginn des Ölbooms in Norwegen. Weit gefehlt. Es ist Baujahr 1931, pures Art Deco, von aussen zumindest. Innen ist das nur noch an den Zierleisten und am Schnitt der Räume zu sehen. Schade eigentlich. Ansonsten ist es nördlich. Ich habe die festen Vorhänge erst für Sonnenschutz gehalten. (Ich zieh doch nie Vorhänge vor!) Sie haben eine wichtige Funktion: Kälteschutz und sind jetzt ohne Ritzen verschlossen. Der Norden ist nicht zu verleugnen. Ich habe eine Decke über den Knien, Elvira kocht heißen Tee und die Heizung läuft auf Hochtouren. Seit um 3 Uhr die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist, ist es bitter kalt. Wir sind irgendwann bei unserem Spaziergang umgekehrt, weil wir so gefroren haben. Dabei war es ein so schöner Tag gewesen. Jede Menge Sonne und pastellfarbene Eiswolken.
Morgen geht es los mit Skifahren. Schnee ist vorhanden. Das war eine Geschichte für sich. Ich hätte um ein Haar den Piloten umkehren lassen. Wir fliegen und fliegen und fliegen. Und dann sind die Wolken weg und ich sehe Berge und Fjorde und Seen und Wälder und Felder. Wunderschön. Aber Moment mal! KEIN SCHNEE! Schmach und Schande. Kein Krümel Schnee und ich habe jeden Tag auf die Webcams geschaut, ob sich das Wetter hält und allen Leuten erzählt: Oslo, kein Problem, ganz schneesicher! Ich habe mir kurz den Worst Case ausgemalt: eine Woche Oslo mit Elvira. Nach drei Tagen ist alles besichtigt. Nachtleben zu Weihnachten gleich Null. Der MANN weit weg. Das Hotel teuer. Das Essen teuer. Au weia.
Dann aber begann es. Zuerst war die Erde in den Nordlagen leicht bepudert, dann überall und irgendwann war es dicker Zuckerguss. Der Urlaub war gerettet.

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