Was uns verbindet

Mein kleiner Mr. Big wartet nur auf ein Wort, eine Geste von mir. Ich behalte mir seit einem Jahr vor, zwar ab und zu Zeit mit ihm zu teilen, aber keine Emotionen. Sein Engagement schmeichelt meinem Ego, aber er ist kein Mann für mich. Der Instinkt hat mich von jeglicher Intimität mit ihm abgehalten. Sonst wäre ich verpflichtet. So fahre ich weiter auf der Einbahnstraße.
Ich wiederum warte auf die Geste vom Mann, der derzeit meine Gedanken füllt. Ich bin auf Empfang geschaltet. Gesendet wird spärlich, wenn auch zuverlässig und kalkulierbar. Meine Kapazitäten würden mehr erlauben. Würde ich es vertragen? In der Zeit, in der er um mich geworben hat, war ich auf dem Rückzug: Zu viel…ich weiß nicht…kann mich nicht positionieren… Für mich sind dann irgendwann die Würfel gefallen und seitdem befinde ich mich in der seltenen Position emotionaler Bedürftigkeit. Nicht gut das und doch scheinbar schicksalhaft.

Shakespeares Sommernachtstraum Lysander liebt Hermia, die wiederum… keine Ahnung, ich bekomme es nicht mehr zusammen. In der Verwirrung der Mittsommernacht fallen die sich versprochenen Paare auseinander und es bilden sich Ketten von Begehren und Flucht, Verlangen und Abstoßung. Wie Magnete, die sich umgepolt haben. Aus der Konstanz zweier Paare wird wüstes Gerenne.
Noch in Shakespeares Zeiten war Leidenschaft etwas Krankhaftes, Unproduktives, Störendes. Erst die deutsch-bürgerliche Romantik erklärte sie zum Ideal. Hölderlin und Diotima, was wäre passiert, wenn sie ein Paar geworden wären? Sehr viel weniger Gedichte, niemand mehr, der zu dem Turm pilgert, in dem der Irre seine letzten Jahre verbrachte. Dafür zerrissene Socken, Geldsorgen, Kindergeschrei etc. pp.
Die Romantik hat nicht nur die hochfliegenden Gefühle gebracht sondern auch die Verantwortung und die Freiheit, für wen wir uns entscheiden können. Jedes klare und entspannte JA beider Seiten entzieht uns die Gefühlsgrundlage und es ist selten, dass beide das gleiche wollen. Jedes ich würde dich wollen, wenn ich dich doch nur bekäme, das JA/NEIN, konserviert Gefühle für lange Zeit. Jedes JA/NA GUT trägt die Sollbruchstelle aller Kompromisse geprägt.
Warum haben wir Zeiten im Leben, wo es uns zu jemandem zieht, den wir nicht bekommen können (wollen?). Wollen wir um jeden Preis die Banalität, in die unsere Euphorie mündet, vermeiden? Warum haben wir Zeiten im Leben, in denen wir selbst nicht wollen, was wir bekommen könnten?
Bis der Tag kommt, an dem wir billigend in Kauf nehmen, dass wir gerade in eine endlos praktische, bodenständige Beziehung gehen, die weit jenseits des eigentlichen Liebespotentials ist. Unconditional surrender. Wir lassen uns schmeicheln von Zuneigung und Aufmerksamkeit, wir verlieben uns in Verliebtheit des anderen und damit in uns selbst.
Bis zum Erwachen und der Frage: Und ich, liebe ich ihn? Lasse ich mich wieder nur lieben? Dieser Mensch passt nicht zu mir und doch habe ich mich so an ihn gewöhnt.
Elvira

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