Aufgewacht

Ich habe beschlossen, daß der Tag in Granada nur geträumt war. Die fremde, mondbeleuchtete Stadt, die plötzlich über den Dächern der Einkaufsstraße auftauchte. Der Marsch durch die dunkle, menschenleere Burg. Das verschneite Gebirge, das bei der Abfahrt immer für Sekunden im Rückspiegel zu sehen war. Sonnenbeschienen, glasklar, der Himmel darüber voller dunkler Wolken. Das war ein Traum. So real wie die Mondlandung. Heute mittag war nichts mehr davon da.
Schade eigentlich. Jane streitet es natürlich ab, aber ich hatte den Eindruck hier hat sich ein bestimmter Menschentyp erhalten. Marokkanisch-jüdisch-europäisch. Hübsche Jungs mit mit dunklen Locken, hellbraunen Augen und heller Haut. Sanft, romantisch und verträumt, mit sinnlichen Lippen. Aus 1001 Nacht eben.

Jetzt aber die Jungs mal beiseite. Es gibt Momente, da mache ich mir Sorgen um Jane. Sie wirkt etwas deprimiert und hat mir erzählt, sie hat wieder von dem alten Mann geträumt. Der, der ihr immer sagt, dass er sie liebt und sie unbedingt schreiben soll. Sie hackt ständig auf dem Laptop rum, mit diesen völlig versackten Blick und hat sich Leseverbot erteilt.
Ich sehe Schlimmes kommen. Jane als erfolglose Romanautorin und ich darf sie und das Kind ernähren. Und mir obendrein noch Heulereien über Schreibsperren anhören.
Und sie trinkt zuviel. Gin Tonic am Nachmittag. Sherry, 3/8 Rotwein zum Abendbrot und dann noch Brandy zur Zigarre oder Port zum Dessert. Ich beobachte sie etwas besorgt, wenn sie sich zusammennimmt, um aufzustehen und gerade aufs Zimmer zu gehen. Die Gute verträgt einfach nicht so viel, auch wenn sie gern ein ganzer Kerl sein möchte.

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