Am Abend des zweiten Tages

Wie soll man Urlaub machen, wenn gerade das Büro kollabiert? Seit gestern Abend sendet das Firmentelefon konstant ein Besetztzeichen. Aussicht auf Besserung: morgen. Für Menschen wie Elvira und mich, die sich ihre Brötchen damit verdienen, am Telefon für alles jederzeit erreichbar zu sein, sind das 48 Stunden zu viel.
Dafür verbringe ich jetzt viel Zeit in Hotellobbys, um die hereinschwemmenden Mails zu beantworten. Das Hotel, in dem wir gestern waren, hatte wenigstens nette spanische Gitarrenmusik für die Laptophocker. Hier in Cadiz werde ich mit Easy Listening berieselt. Widerlich.
Wenn ich den Telekommunikationsgau mal vergesse, ist das Leben derzeit allerdings sehr schön. Sonnenuntergang über dem Atlantik. Eine irrsinnige Kathedrale, die scheinbar aus allen möglichen Reststeinen, die die Römer und sie Sarazenen hier stehengelassen haben, zusammengesetzt ist.
Mittags hatte es uns in ein kleines weißes Bergdorf verschlagen. Ich war zu Tränen gerührt. Auf den mit bunbemalten Kacheln besetzten Steinbänken vor den Häusern saßen tatsächlich alte Leutchen und sahen den Zitronenbäumen beim Wachsen zu.
Manchmal habe ich schon den Gedanken, daß es ein Leben jenseits meiner gutbezahlten Lakaienexistenz geben kann, das auch ganz schön ist. Aber würde ich das aushalten? Ich mache es jetzt fast 10 Jahre. Kann ich überhaupt was anderes?

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