Morgenstimmung

Gerade eben, vor einer Stunde, habe ich es begriffen. Es ist vorbei. Ich bin keine Mutter mehr. Das Kind wächst nur noch heran wie eine junge Löwin, mit genügend Essen und Platz, um Anlauf zu nehmen für den Sprung ins Leben. Mein geliebter Zerstörer ist aufgebrochen zu neuen weiblichen Ufern. Garantiert ohne Rückfahrkarte. Zum ersten Mal keine Verpflichtung, die Kontrolle, den Überblick zu behalten, für andere mitzudenken, die letzte Kraft immer in Reserve zu halten.
Ich erlebe Eruptionen von Vitalität. Um mich herum müssen sich derzeit alle anschnallen. Wie oft habe ich getrauert, daß ich meinen Esprit verloren hatte. Habe geglaubt, ich hätte ihn gegen das Altern eingetauscht. Und jetzt habe ich wieder die Kraft, zu fliegen. Mein Leben hat seine gläsernen Wände verloren.
Ich habe Grieg gehört, Peer Gynt. Da war sie plötzlich, die neue Landschaft, die vor mir lag. Unbekannt und doch vertraut, mit Blick bis zum Horizont und Wasser und viel Grün.
Ich werde sanft landen, die Flügel sorgfältig auf meinem Rücken zusammenfalten und hineingehen in das Neue.

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Education Sentimentale

Gute Güte. Es ist gerade mal ein bißchen Frühling und Elvira hat sich schon verliebt. Zwei Wochen hat sie es ausgehalten mit ihrem geliebten Psycho und sich dann endgültig verabschiedet. Und ich konnte mir anhören: Nie wieder. Ich habe gar keine Zeit. ICH BIN JETZT ERWACHSEN. Das sogar.
Nun schleicht sie mit verklärtem Blick durch die Gegend, isst nichts mehr und seufzt.
Das Kind ist entrüstet. „Du willst dich doch nur verlieben, du kennst den Mann doch kaum.“ Wahre Worte, auch wenn sie klingen, wie von meiner Großmutter gesagt.
Und nun spitzt sich die Situation bereits zu: seit zwei Tagen keine sms. Ständig springt sie nervös zu ihrem Handy. Nichts.
Dabei hätte dieser Mann sogar meinen Segen gefunden. Es ist endlich mal ein Mann. Einer zum neidisch werden. Aber wie ich Elvira kenne…

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Somewhere over the Rainbow

Alles auf Anfang. Bin ich glücklich? Ich hab ihn wieder, meinen über alles Geliebten, meinen Zerstörer. Ich weiß nicht, ob das ohne Verliebtheit gut geht. Ich weiß nur, daß ich die Vertrautheit unserer Körper sehr vermißt habe.
Vielleicht war ich codiert, auf seine Haut, auf seinen Geruch… Vielleicht hat es deshalb nicht geklappt mit dem Biertrinker, dem Vielredner, Mr. Money und all den anderen.
Jane schüttelt den Kopf, das Kind lächelt weise. Es hat von Anfang an gewußt, daß wir nicht voneinander loskommen.

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Ruhe sanft!

Heute gab es endlich eine Nachricht von Betty, der promovierten Hausfrau. Sie berichtete, daß sich auch im Haushalt O.B. Ruhe und Weitsicht noch nicht eingefunden haben.
Ich halte beides für eine Erfindung von Pensionären. Ruhe ist immer das, was gerade hinter einem liegt. Und so kann man den Enkeln dann erzählen, wie gezielt man seinen Lebensplan angegangen ist… Die Optionen, die mal durch den Raum schwirrten, hat man längst vergessen.

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Last Exit Kontaktanzeige

Janes einziges Problem ist: wo kriegen wir DSL her. Ich merke, wie sie abends unruhig wird, wenn ich noch die Küche aufräume. Wenn sie über ISDN surft, sieht sie ständig auf die Uhr. Dabei ist unsere Internet-Rechnung bei weitem unter dem, was wir früher für die flat gezahlt haben. Ganz zu schweigen von den Monaten im Sommer, wo kaum einer den Laptop anwirft, wo keine Radio-Sketche gesaugt werden, weil das Kind nicht da ist.
Ich habe mir seit langem mal wieder den TIP gekauft. Ist schon komisch, wie sich die Zeitung in den letzten 10 Jahren verändert hat. Oder Berlin hat sich verändert. Es weht so eine Düsseldorfatmosphäre durch die Stadt. Die Artikel sind ganz ok., gutes linkes regionales Feuilleton eben.
Die Kleinanzeigen demonstrieren die Veränderungen am radikalsten:
Keine selbstgedrechselten Alternativjobs mehr, sehr ausgedünnte Eso-Strecke. Dafür jede Menge Klinkenputzer-Jobs und Weiterbildungsangebote. Ist Berlin in der Realität angekommen?
Oder die Kontaktanzeigen. Lesben und Schwule mit ernsthaften Absichten haben sich verabschiedet. Dafür jede Menge Perverse, hab sogar ein paar Mal das F-Wort gelesen.
Und das war der Hammer:
Kulturfreundin/Luder in Personalunion? Mein Programmangebot: 1. Meet’n’lecker Eat, schickes Lokal,2. Oper, beste Plätze,3. Cocktailschlürfen, schummrige Bar,4. (nur beim Auftreten starker Trieb-Kräfte) safer Vögeln, Vielsternehotel. Anfang-40er, Gelegenheitseskapist, Triple-G (gebildet, gutaussehend, gebunden) lädt ein. BmB. *E-Mail:***********

Ich weiß nicht, bei so viel Versprechungen muß doch irgendwo ein Haken sein??!! Kommt nachts um 12 die Ehefrau und packt das Nudelholz aus, um ein bißchen mitzumischen? Ist sein Triple-G dann doch nur in seinem eigenen Koordinatensystem positiv zu bewertet und es kommt einem der übliche Bäuchlein-beginnende Glatze-Focus-Leser entgegengestolpert, der sich zudem 10 Jahre jünger gemacht hat?

Und dann die Profis. Früher gab es:
Kim, Berlinerin. Liebe und Revolte für Sie und ihn.
Das fand ich so scharf, die Frau war weit über 50 und jedes Jahr ging ihr Alter ganz ehrlich ein Jahr hoch. Jetzt sitzt sie wahrscheinlich in einem Bauernhof im Odenwald und genießt ihren Ruhestand. Jetzt haben die Anzeigen fast BZ-Niveau. Bis auf den Umstand, daß es in selbiger Zeitung keinen Markt für Frauen gibt, die für Männer bezahlen.
Wenn ich das so lese, möchte ich doch wieder auf den Zufall vertrauen.

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Böses Mädchen

Ich weiß nicht, ob das richtig war. Ich habe den Biertrinker in die Wüste geschickt. Der Arme. Wenn ich daran denke, wird mir heiß, so peinlich ist mir das.
Es war aber auch zu blöd. Ich habe ihm immer gesagt, daß ich mich nicht für ihn entscheiden kann, daß ich es besser finde, wenn wir Freunde bleiben. Also, daß er ein guter Kumpel ist eben. Ich steh einfach nicht auf ihn. Und dann hat er mir die Lampen aufgehangen und stundenlang mit Jane geredet, weil sie doch diesen Ärger mit H.B. bei der Arbeit hat. Und am nächsten Tag kam eine sms, ob er denn nun imer noch nur Kumpel ist.
Da ist mir der Kragen geplatzt und ich hab ihm in einer Mail geschrieben, warum ich nicht auf ihn stehe. Wegen dem vielen Bier und weil er sich nicht getraut hat, mich zu küssen (obwohls vielleicht besser war) und weil er mir einfach zu pummelig ist. Er war ziemlich sauer. Aber alles andere hat er immer einfach überhört, jeden anderen Satz, den ich zum Thema: „Sorry, du bist nicht mein Typ!“ gemacht habe. Irgendwie ist er doch ein bißchen masochistisch.
Und ich fühl mich Scheiße.

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Rückkehr ins Leben

Kaum ein Vierteljahr ist vergangen und ich habe meine mutierte Grippe besiegt. Bin ein Organ losgeworden, habe Curare probiert. Ein paar Kilo abgenommen. Erfahrungen auf der ganzen Linie.
Seit 10 Jahren bin ich noch nicht so ausgeschlafen gewesen.
Elvira ist unruhig. Aus lauter Solidarität hat sie kein einziges Date gehabt in der letzten Zeit sondern hat sich mit Lebenshilfe-Büchern beschäftigt. „Zen der Liebe“ und so. Zur Zeit tendiert sie zu netten, friedlichen Typen. So Biertrinker eben. Ich weiß nicht. Sie glaubt, sie tut mir damit was gutes, weil ich doch noch keine Selterskästen tragen kann. Und auf den Gedanken, daß sie vielleicht die Lampen in der neuen Wohnung anbringen könnte und kein Kerl, für den wir dann Bier kaufen müssen, kommt sie natürlich nicht.

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Nachrichten aus den Krankenbett

Fliegen macht es möglich. Die Klimananlage vom Flieger quirlt auch die letzte Bakterie, die sich in einer Ecke verzweifelt festhält, auf menschliche Schleimhäute. Wahrscheinlich kann man Stewardessen problemlos in Seuchenkrankenhäuser schicken, die sind gegen alles immun. Ich habe mir eine nette Kollektion Krankheitserreger in der letzten Woche mitgebracht: viel Magen-Darm-Virus (lange nicht mehr auf nüchternen Magen gekotzt), etwas Schnupfen, ein paar Halsbakterien und jede Menge Kreislaufdowner-Viren.
Elvira ist das alles egal. Sie surft seit gestern auf www.liebe.de. Hat ein geil aussehendes Bild von sich ins Netz gestellt und eine Anspruchsliste formuliert und ist entäuscht über das Echo: ältliche Pharmareferenten und „Schmusekater“ unbekannter Profession, die sie umgehend verwöhnen wollen. Der erträumte eigentlich Romane schreibende Volljurist bleibt aus.
Ich verzweifele an simpelster HTML-Programmierung. Weil ich immer noch kein dreispaltiges layout hinbekomme, halte ich die Kommentarfunktion noch immer schamhaft ausgeschaltet. Besser is.

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Jubiläum

Gestern abend im Palast der Republik. „Singing“ eine Aufführung, die Arbeiterkampflieder gegen Texte der kommunistischen Theorie setzte. „Kreativität ist Bestandteil von Produktivität“ gegen „Brüder…Sonne…Freiheit“. Emotionalität, Wünsche und Träume im Gesang, Technosprech in der Theorie. Das alles getragen von verfremdet marschierenden Schauspielern und Sängern.
Keine bahnbrechende Inszenierung, aber platziert an einem denkwürdigen Tag. Ich hatte es zunächst nicht bemerkt, als ich den Termin ausgesucht hatte. Nun saß ich am 55. Jahrestag des versunkenen Staates im Foyer seines Volkspalastes in einer Veranstaltung, die mit eben den gleichen Quellen arbeitete, wie die großen Galaprogramme der Arbeiter-und Bauern-Macht. Wenn mir jemand vor 20 Jahren einen Schnappschuß von diesem Abend gezeigt hätte, hätte ich geglaubt, ich wäre in einen Sience Fiction, in ein Paralleluniversum geraten. Die mächtige Ruine, befreit von allem Pomp und Schmuck. Stahlträger wie dunkle Knochen, dazwischen ernst marschierende Menschen in Alltagskluft.
Ich hätte Angst bekommen, vor dem, was mich erwartet.

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GI Jane

Hart aber herzlich. Liebt Technik mehr als Menschen. Schraubt Marmeladengläser und Zahnpastatuben immer zu. Mag nur manchmal Nutella.
Ist in ständigen Kraftproben mit jedem Mann, der nicht bei Drei auf dem Baum ist. Beim Schwimmen, beim Schrauben und Löten. – Die Liste ist beliebig fortsetzbar.
Ist ihr eigener Mann/ihre eigene Frau.

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