Klausur seit vier Wochen. Tanzen oder ins Kino gehen, sich durch die Stadt treiben lassen ist immer noch nicht möglich.
Das Loft verwandelt sich in einen Schöner-Wohnen-Knast.
Ich werde immer ungeduldiger. Und mein derzeitiger Wunschfilm, La belle noiseuse hat eine Länge von vier Stunden. Das schaffe ich noch nicht.
Und so viele Freunde können hier zum Kochen und Schwatzen garnicht antreten, wie ich derzeit Kapazitäten habe.
Ok., dann wird es heute abend wieder der DVD-Spieler sein…
Und der Kühlschrank ist voll und ich mag nichts essen. * grummel *
Und überhaupt: welches freche Vieh frißt langsam aber sicher alle Blätter vom Basilikumstrauch?
Litanei
Computerliebe
Der Spiegel sucht anläßlich des 25. Geburtstages des IBM-PC Computergeschichten der Leser.
Meine gibt es hier.
Der erste Computer blieb ein Fragment. Er war so was ähnliches wie ein Commodore und sollte aus einer Robotron-Schreibmaschine, meinem Kassettenrecorder, dem Familien-Fernseher und einer von meinem Vater geätzten und gelöteten Platine bestehen. Fertig geworden ist einzig die Platine, weil es mein Vater mit dem Gehäusebauen nicht so hatte. Sie stapelte sich im Keller mit anderen Fragmenten. Einer Stereoanlage und einer Funkfernbedienung für ein Flugzeug. Ich war nun auch nicht so eine Enthusiastin, als das ich begonnen hätte, eine Holzkiste für das gute Teil zu bauen. (Schon weil Papa mit der Mikrometerschraube daneben gessessen hätte, um zu schauen, ob das was wird, was ich da anfange.*)
Aber mich haben diese Apparate fasziniert. HAL aus 2001, dieser sprechende Computer Napoleon aus den Sci-Fi-Kriminalgeschichten von Gert Prokop. Und War Games, beeindruckend, was man über das Netz mit einem Computer anfangen konnte.
Weil Papa eh nicht fertig wurde, bevölkerten Computer meine wuchernde Phantasie. Zum Beispiel in einer Science-Fiction-Liebesgeschichte, in der sich eine Raumschiffärztin per Funkkontakt in einen Typen verliebt und sie weiß nicht, ob es jemand von einem gegnerischen Raumschiff sein könnte. Dabei ist es ein auf einem Asteroiden in einem großen Rechner ausgesetztes Hirn eines längst toten Wissenschaftlers. Oder diese krude Fluchtgeschichte im Stil von „Die drei Tage des Condor“, wo die zwei Leute, die sich (schwer blessiert, aber natürlich ineinander verliebt) in Südamerika in den Bergen verkrochen haben, einen Polizeicomputer hacken und sich selbst auf einer Todesliste finden.
Der Zweite war schon ein zivilisiertes Teil. Das war Anfang der 90er, ein Highscreen von Vobis mit Hercules-Grafik, 64 kb Arbeitsspeicher und weniger als 1 MB Festplatte.
Nicht meiner. Ich lebte damals mit einem habilitierten Mathematiker in einer WG. Naja, er war doppelt so alt wie ich und frisch geschieden, ich lebte gerade in Trennung, deshalb kamen wir auf die Idee, die Geschichte zwischen uns beiden WG zu nennen.
Aber: Freier Zutritt zu seinem Arbeitszimmer. Und da er damals gerade auf Jobsuche war und keine Lust hatte, ständig an seinen neuronalen Netzen rumzuprogrammieren, hat er seinen pädagogischen Eros an mir ausgelebt. Dafür bin ich ihm noch heute dankbar. Immerhin konnte ich hinterher mit dem Betriebssystem umgehen (gab ja noch kein WYSIWYG), ein bißchen C+ und Pascal schreiben, Editoren bedienen und bekam keine Panikanfälle, wenn es hieß: Schwerer Systemfehler.
Ein halbes Jahr später dann gab es in meiner Uni einen PC-Saal. Dieser Umstand war kaum jemandem bekannt, geschweige denn, konnte irgendein Ostberliner Studi mit diesen Dingern umgehen. Die betreuenden Informatikstudenten waren scheiße arrogant, aber mich schreckte das ja nicht. Angst vor Technik hatte ich nie und Dr. Dr. Josef hatte mir erklärt, wie die Kiste lief. Ich verstand die Fachsprache von den pickligen Jungs in den karierten Hemden und damit habe ich mir Respekt verschafft. Wenn ich etwas ich nicht allein konnte, haben sie mir klaglos geholfen. Meine beste Semesterarbeit in Filmgeschichte habe ich in Times New Roman auf dem Laserdrucker auswerfen lassen, was meinen Dozenten damals tief beeindruckte. Er hatte so was schlichtweg noch nicht gesehen und wollte alles ganz genau erklärt haben.
Alles, was danach kam, war nur noch halb so spannend. Der erste eigene PC hatte 20 MB Festplatte und einen Arbeitsspeicher von 128 kB, leider weiß ich keine Taktfrequenzen mehr. Wenn ich keinen Bock hatte, an meiner Diplomarbeit zu schreiben, habe ich mit kleinen Animationsfilmen, die ich mit CorelMove gemacht habe, die Kiste zum Absturz gebracht.
Aus der Zeit stammt der halbfertige Krimi „Nachts sind alle Glatzen grau“, in dem es um einen alten Offizier, jetzt Wachmann, einen jungen Hacker und jede Menge Altkader und deren Neonazisöhne ging. Natürlich gab es auch eine schöne Frau mit einem Geheimnis. Und Computer. Alte Robotron-Rechner mit Lochbändern, deren verschlüsselte Daten so eine Art Rosenholz-Kartei ergeben haben. Und am Schluß ist der Hacker tot, der alte Mann kriegt die Frau mit dem Geheimnis natürlich nicht, sondern wirft die Daten in die Spree, statt sie zu verkaufen.
Eine sehr schöne Erinnerung war die wunderbar schlichte dunkelblaue Oberfläche von Wordperfect. Nichts, was zum Spielen verleitet, die Formatierungen waren nur farbig hinterlegt, eine einzige technisch aussehende Standardschrift. Konzentration pur. Ich habe noch lange Jahre Drehbuchszenen und Prosatexte damit geschrieben. Die nun leider verloren, weil nicht mehr zu öffnen sind.
Schade eigentlich. Im nichtvirtuellen Leben gibt es wenigstens die Chance, eine alte Kladde zu finden, sich darin festzulesen und zu sagen: He, so gruselig war das doch garnicht, was du da geschrieben hast.
*Dafür habe ich 25 Jahre später für mich den Beweis führen müssen, daß ich handwerklich begabt bin. Ich habe im Bad die Wasserrohre verkleidet und es neu gefliest. Leider bin ich ein knappes Jahr später dort wieder ausgezogen. Aber ich habe es geschafft! Und mein Vater hat in seinem Leben kein Regal zusammenbauen können. Kernphysiker halt. Die können andere Sachen. S.o.
Mjam!
Abgeholt, gegessen, und wieder zu Hause abgeliefert. Prima. Hatte auch mein nettes weißrosa Kleidchen an.
eXistenz
Sonderbar, was passiert.
Da ist zum einen die spürbare körperliche Heilung. Die Kraft reicht wieder zum Autofahren und Arbeiten. Das Gefühl der Verletzung, die Erinnerung an das Messer, das einem im Bauch umgedreht wurde, verschwinden.
Zum anderen die Erkenntnis: ich habe einen Gefährten gefunden. Und wie immer, sind solche Ereignisse ganz unspektakulär einfach da. Die Zweifel und Ängste reduzieren sich. Manischer Hype und die Machteuphorie fehlen. Es geht nicht darum, das Fleisch in der Essenz von Emotion und Aufmerksamkeit zu beizen. Es geht um eine stumme Übereinkunft, egal, wie viele Tage, Kilometer oder andere Menschen dazwischen liegen. Eine nicht besiegelte, freiwillige Verbindung. Elastisch und hart zugleich wie Titan. Plötzlich ist Ruhe da und Klarheit und die Möglichkeit, die Energie an anderen Stellen zu verwenden.
Ich bin in einen tiefen Schlaf gefallen, stundenlang, mitten am Tag. Und als ich aufgewacht bin war es da, das Gefühl von Freude und tiefer Dankbarkeit.
Er sollte tot
Eine tiefe Verneigung vor Dominik Graf. Der bayerische Polizeiruf gestern war selten gut.
Michaela May hatte wenig Freiheit und war endlich mal nicht trutschig, sondern cool, reduziert und sogar humorvoll.
Und Edgar Selge … es gibt wenige Schauspieler, die so wenig Egoaufmontage nötig haben. Oder anders formuliert: die ihr Ego so in den Dienst einer Rolle stellen. Was im Film an Ermittlung passiert, passiert über sein Gesicht, das von der Kamera fast beiläufig aufgenommen wird, lange Texte, Fragen, Fragen, Fragen. Aber nicht der Ermittlerbulle spricht da, sondern ein verstörter, entsetzter Mann, der die Wahrheit wissen will und doch wieder auch nicht, weil sie zu grausam ist. Der hilflos vor dieser 19jährigen sitzt, die nach und nach alle ihre Lebensrollen schildert: Hure, Lesbe, Heimkind, Mörderin, Heiratsschwindlerin, Hörige und am Schluß bleibt ein kleines Mädchen. Der behauptet, junge Mädchen würden ihn nicht interessieren und beim Aussprechen dieses Satzes stolpert und stürzt.
Rosalie Thomass als das süße Mädel (im Horvathschen Sinne) ist von der Kritik viel gelobt worden. Es ist mutig, sich so zu öffnen, bis nur noch eine Projektionsfläche bleibt und doch nie exhibitionistisch zu wirken. Nie ist diese Figur der Sensationslsut preisgegeben, immer ist sie im Moment. Ganz pragmatisch, naiv, bodenständig, offen und damit prädestiniert, zum Opfer zu werden. Und gleichzeitig nicht schwach und mitleiderregend.
Die beste Kameraeinstellung? Maria wird auf dem Hof des Bordells von ihrem Zuhälter zusammengeschlagen, sie stürzt zu Boden. Die Kamera setzt sich in Bewegung, eine präzise Schienenfahrt aus dem Hof hinaus, eine Straßenperspektive öffnet sich jenseits der Mauer. Die Kamera hält. Am Ende der Straße fährt ein blauer LKW vorbei, als würde Marias Seele abtransportiert werden. Sie ist nun bereit zum Mord.
Gut so
Langsam geht es aufwärts. Ein erster auswärts verbrachter Abend (im Liegen natürlich – honny soit, qui mal y pense). Gardinen genäht ohne an schließenden Zusammenbruch.
Ich leere den Kühlschrank wieder normal und nicht, indem ich verdorbene Lebensmittel wegwerfe. Nur das mit den situps funktioniert noch lange nicht. Egal.
Aus lauter Langeweile habe ich mit Fernsehen begonnen. Kable1 sendet grade die alten Edgar-Wallace-Filme. Immer wieder stark. Was war ich mal in Joachim Fuchsberger verliebt! Und nun muß ich sehen, daß in „Das Geheimnis der gelben Narzissen“ (Schwachsinniger Titel! Narzissen sind immer gelb!) die englischen Schauspieler alle einen Kopf größer sind als er und Klaus Kinski.
Und die Frauen. Entweder sie sind attraktive, erotische Luder, dann sind sie am Ende vom Film tot oder unschuldige Rehlein oder naive Blondinen und müssen am Schluß den Kommissar kriegen.
Nee, dann doch lieber Strapse und enge Cocktailkleider tragen und mit sündigroten Lippen die Leiche geben.
Grenzen
So langsam finde ich das nicht mehr witzig. Die OP ist jetzt fast drei Wochen her. Und trotzdem mache ich nach ein paar Schritten zu Fuß oder ein paar Stunden am Schreibtisch den sterbenden Schwan.
Der Trip aufs Land ist in die Ferne gerückt. Laptopschleppen bis zum Zug kann ich vergessen, drei Stunden Autofahren sowieso und einen Aufenthalt allein auf einem abgelegenen Hof ohne Auto verbieten die Selbstschutzmechanismen.
Was ist bloß aus dieser Frau geworden? Das ging doch sonst immer. Wenn eine Wand da war, habe ich den Kopf gesenkt, Anlauf genommen und war durch.
Und jetzt? Loslassen, Fallenlassen, Annehmen. Nichts planen können ist ein Riesenproblem. Nichts tun können ist noch schlimmer.
Alles nur geklaut
h4. Der siebente Psalm
# Ich weiß es Geliebte, jetzt fallen mir die Haare aus vom wüsten Leben, und ich muß auf den Steinen liegen. Ihr seht mich trinken den billigsten Schnaps, und ich gehe bloß im Wind.
# Aber es gab eine Zeit, Geliebte, wo ich rein war.
# Ich hatte eine Frau, die war stärker als ich, wie das Gras stärker ist als der Stier: es richtet sich wieder auf.
# Sie sah, daß ich böse war, und liebte mich.
# Sie fragte nicht, wohin der Weg ging, der ihr Weg war, und vielleicht ging er hinunter. Als sie mir ihren Leib gab, sagte sie: Das ist alles. Und es wurde mein Leib.
# Jetzt ist sie nirgends mehr, sie verschwand wie die Wolke, wenn es geregnet hat, ich ließ sie und sie fiel abwärts, denn dies war ihr Weg.
# Aber nachts, zuweilen, wenn ihr mich trinken seht, sehe ich ihr Gesicht, bleich im Wind, stark und mir zugewandt, und ich verbeuge mich in den Wind.
B.B. 1920
Eine dieser
milden Sommernächte, für die das Podest in meinem Loft eigentlich vor dem Fenster steht.
Ein Test, ob Vina Lucia auch auf Kühlschranktemperatur schmeckt (naja!).
Immer wieder zur Entspannung flach auf den Rücken legen, bis sich der Atem beruhigt hat. Der Liebste bloß und so nah neben mir, daß ich seine Wärme spüre.
Diese Augenblicke sind kostbar, laß sie uns hinüberretten in den langen dunklen Winter, der unweigerlich kommen wird.